
Hans Guido Freiherr von Bülow (8. Januar 1830 – 12. Februar 1894) war ein deutscher Dirigent, Klaviervirtuose und Komponist der Romantik. Als einer der berühmtesten Dirigenten des 19. Jahrhunderts war er maßgeblich am Erfolg mehrerer bedeutender Komponisten dieser Zeit beteiligt, insbesondere von Richard Wagner und Johannes Brahms. Neben Carl Tausig war Bülow der wohl prominenteste der frühen Schüler des ungarischen Klaviervirtuosen, Dirigenten und Komponisten Franz Liszt – bei ihm spielte er 1857 die erste öffentliche Aufführung von Liszts h-Moll-Sonate. Er lernte Liszts Tochter Cosima kennen, verliebte sich in sie und heiratete sie schließlich, die ihn später für Wagner verließ. Bekannt für seine Interpretationen der Werke Ludwig van Beethovens, war er einer der ersten europäischen Musiker, die durch die Vereinigten Staaten tourten.
Leben und Karriere
Bülow wurde in Dresden als Sohn der angesehenen Familie Bülow geboren. Ab seinem neunten Lebensjahr war er Schüler von Friedrich Wieck (dem Vater von Clara Schumann). Seine Eltern bestanden jedoch darauf, dass er Jura statt Musik studierte, und schickten ihn nach Leipzig. Dort traf er Franz Liszt, und als er Musik von Richard Wagner hörte – insbesondere die Uraufführung von Lohengrin im Jahr 1850 – beschloss er, die Vorgaben seiner Eltern zu ignorieren und stattdessen eine Karriere als Musiker anzustreben. Er studierte in Leipzig Klavier bei dem berühmten Pädagogen Louis Plaidy. Auf Wagners Empfehlung erhielt er 1850 seine erste Stelle als Dirigent in Zürich.

Bülow hatte eine stark bissige Persönlichkeit und eine lose Zunge; dies entfremdete viele Musiker, mit denen er arbeitete. Aus diesem Grund wurde er von seiner Stelle in Zürich entlassen, erlangte aber gleichzeitig Ansehen für seine Fähigkeit, neue und komplexe Werke ohne Partitur zu dirigieren. 1851 wurde er Schüler von Liszt und heiratete 1857 dessen Tochter Cosima. Sie hatten zwei Töchter: Daniela, geboren 1860, und Blandina, geboren 1863. In den 1850er und frühen 1860er Jahren war er als Pianist, Dirigent und Schriftsteller tätig und wurde in ganz Deutschland und Russland bekannt. 1857 brachte er Liszts Klaviersonate h-Moll in Berlin zur Uraufführung.
1864 wurde er Hofkapellmeister in München und erlangte in dieser Position seinen größten Ruhm. Er dirigierte die Premieren zweier Wagner-Opern, Tristan und Isolde und Die Meistersinger von Nürnberg, in den Jahren 1865 und 1868; beide waren äußerst erfolgreich. Inzwischen hatte Cosima jedoch eine Affäre mit Richard Wagner und brachte 1865 ihre Tochter Isolde zur Welt. Zwei Jahre später bekamen sie eine weitere Tochter, Eva. Obwohl die Affäre zwischen Cosima und Wagner nun öffentlich bekannt war, weigerte sich Bülow noch immer, seiner Frau die Scheidung zu erlauben. Schließlich gebar sie ein letztes Kind – einen Sohn, Siegfried – und erst dann gab der Dirigent endlich nach. Ihre Scheidung wurde 1870 vollzogen, danach heirateten Cosima und Wagner. Bülow sprach nie wieder mit Wagner und sah seine frühere Frau danach elf Jahre lang nicht, obwohl er den Komponisten offenbar weiterhin auf professioneller Ebene respektierte, da er weiterhin seine Werke dirigierte und Wagners Tod im Jahr 1883 betrauerte. Im Juli 1882 heiratete er die Schauspielerin Marie Schanzer.
1867 wurde Bülow Direktor der neu eröffneten Königlichen Musikschule in München. Dort unterrichtete er Klavier nach Liszts Vorbild. Bis 1869 blieb er Direktor des Konservatoriums. Zu Bülows Schülern in Berlin zählten Asger Hamerik und Joseph Pache.
Bülow war nicht nur ein Verfechter der Musik Wagners, sondern auch ein Förderer der Musik von Brahms und Tschaikowsky. Er war Solist bei der Uraufführung von Tschaikowskys Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll 1875 in Boston. Er war auch ein Anhänger der Musik Frédéric Chopins; er erfand Beinamen für alle Präludien von Chopins Opus 28, die jedoch weitgehend außer Gebrauch geraten sind. Das Präludium Nr. 15 in Des-Dur hingegen ist weithin unter seinem Titel „Regentropfen“ bekannt.
Er war der erste, der den kompletten Zyklus der Klaviersonaten Beethovens auswendig aufführte, und gemeinsam mit Sigmund Lebert produzierte er eine Ausgabe der Sonaten.
Für die Wintersaison 1877–1878 wurde er zum Dirigenten der Orchester-Abonnementkonzerte ernannt, die von der Glasgow Choral Union in der neu eröffneten St. Andrew's Hall in Glasgow aufgeführt wurden. Mit dem Orchester tourte er, um diese Programme in anderen schottischen Städten zu wiederholen. Zu den Werken, die er dort dirigierte, gehörte die kürzlich überarbeitete Fassung von Brahms' 1. Sinfonie.
Von 1878 bis 1880 war er Hofkapellmeister in Hannover, musste die Stelle jedoch nach einem Streit mit einem Tenor aufgeben, der die Rolle des „Schwanenritters“ in Lohengrin sang; Bülow hatte ihn den „Schweinritter“ genannt. 1880 zog er nach Meiningen, wo er die entsprechende Stelle annahm und das Meininger Hoforchester zu einem der besten in Deutschland ausbaute. Unter anderem bestand er darauf, dass die Musiker alle ihre Partien auswendig spielen lernten.
Während seiner fünfjährigen Tätigkeit in Meiningen lernte er Richard Strauss kennen (das Treffen fand allerdings in Berlin statt). Seine erste Meinung über den jungen Komponisten war nicht positiv, doch er änderte seine Meinung, als er mit einer Kostprobe von Strauss' „Serenade“ konfrontiert wurde. Später nutzte er seinen Einfluss, um Strauss seine erste feste Anstellung als Dirigent zu verschaffen. Wie Strauss fühlte sich Bülow von den Ideen Max Stirners angezogen, den er angeblich persönlich gekannt hatte. Im April 1892 beendete Bülow seinen letzten Auftritt mit den Berliner Philharmonikern (deren Chefdirigent er seit 1887 gewesen war) mit einer Rede, in der er Stirners Ideen „lobte“. Gemeinsam mit John Henry Mackay, Stirners Biograph, brachte er an Stirners letzter Wohnung in Berlin eine Gedenktafel an.
Zu seinen orchestralen Neuerungen zählten die Einführung des fünfsaitigen Basses und der Pedalpauke; die Pedalpauke ist seitdem zu einem Standardinstrument im Sinfonieorchester geworden. Seine präzisen, einfühlsamen und tiefgründigen musikalischen Interpretationen machten ihn zum Prototyp der späteren virtuosen Dirigenten. Er war zudem ein scharfsinniger und geistreicher Musikjournalist.
Ende der 1880er Jahre ließ er sich in Hamburg nieder, unternahm aber weiterhin Tourneen, sowohl als Dirigent als auch als Pianist.
Bülow litt unter chronischen neuralgiformen Kopfschmerzen, die durch einen Tumor der zervikalen Radikulärnerven verursacht wurden. Ab etwa 1890 verschlechterte sich seine geistige und körperliche Gesundheit, und er suchte zur Genesung ein wärmeres, trockeneres Klima auf. Er starb im Alter von 64 Jahren in einem Hotel in Kairo, Ägypten, nur zehn Monate nach seinem letzten Konzertauftritt.
Zitate
- „Ein Tenor ist kein Mensch, sondern eine Krankheit.“
- Zu einem Posaunisten: „Ihr Ton klingt wie Roastbeefsoße, die durch einen Abwasserkanal läuft.“
- Bei der Verleihung eines Lorbeerkranzes: „Ich bin kein Vegetarier.“
- „Dirigieren Sie immer mit der Partitur im Kopf, nicht mit dem Kopf in der Partitur.“
- „Bach ist das Alte Testament und Beethoven das Neue Testament der Musik.“
- „Am Anfang war der Rhythmus.“
Als Dirigent
-Wagner, Tristan und Isolde, München, 10. Juni 1865
-Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg, Hofoper, München, 21. Juni 1868
Als Pianist
- Beethoven, complete cycle of piano sonatas
- Liszt, Sonata in B minor, Berlin, 22. Januar 1857
- Liszt, Totentanz für Klavier und Orchester
- Tchaikovsky, Piano Concerto No. 1, Boston, 25. Oktober 1875
Kompositionen
- 6 Lieder, Op. 1
- Rigoletto-Arabesken, Op. 2
- Mazurka-Impromptu. Op. 4
- 5 Lieder, Op. 5
- Invitation à la Polka, Op. 6
- Rêverie fantastique, Op. 7
- Liederzyklus Die Entsagende, Op. 8
- Ouvertüre und Marsch zu Shakespeare's Julius Caesar, Op. 10
- Ballade, Op. 11
- Chant polonais (after F. H. Truhn), Op. 12
- Mazurka-Fantasie, Op. 13
- Elfenjagd. Impromptu, Op. 14
- Des Sängers Fluch, Ballad für Orchester, Op. 16
- Rimembranze dell'opera Un ballo in maschera, Op. 17
- Trois Valses caractéristiques, Op. 18
- Tarantella, Op. 19
- Nirvana: symphonisches Stimmungsbild, Op. 20
- Il Carnevale di Milano, Klavier, Op. 21
- Vier Charakterstücke, Orchester, Op. 23
- Zwei Romanzen, Op. 26
- Lacerta. Impromptu, Op. 27
- Königsmarsch, Op 28
- 5 Gesänge für gemischte Chöre, Op. 29
- 3 Lieder von August Freiherrn von Loen, Op. 30
Klaviertranskriptionen
- Christoph Willibald Gluck – Iphigenie in Aulis
- Richard Wagner:
- Tristan und Isolde
- Ouvertüre aus Die Meistersinger von Nürnberg
- Paraphrase des Quintetts aus Akt III aus Die Meistersinger
- Faust Overture
- Weber:
- Konzertstück in F minor
- Zwei Klavierkonzerte
